Salzburger Ärzteführer 2024

SALZBURGER ÄRZTEführer 2024 10 11 Als eines der ersten und sehr erfolg- reichen Programme wurde schon 1974 das Konzept des Mutter-Kind- Passes (MKP) umgesetzt. Das gelbe Untersuchungsheft ist mittlerweile zu einem wichtigen Dokumentations-Tool geworden und für alle Familien fast ähnlich wertvoll wie ein offizieller Pass. Einzigartig für Vorsorgeuntersuchun- gen ist, dass diese Kontrollen nicht nur kostenfrei sind, sondern zusätzlich über das System des Kinderbetreu- ungsgeldes finanziell belohnt werden. Leider wurde 1997 der Zuschuss für die Kontrollen im Alter von zwei bis fünf Jahren gestrichen, was auch zu einem Rückgang der Inanspruch- nahme in diesen Altersgruppen ge- führt hat. Insgesamt sind für die Kinder neun Untersuchungen vorgesehen, fünf davon bis zum 14. Lebensmonat mit finanziellem Anreiz für die Eltern. Vier weitere dann jährlich bis fünf Jahre. Prinzipiell können diese Kontrollen bei allen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern bzw. Fachärztin- nen und Fachärzten für Kinder und Ju- gendheilkunde durchgeführt werden. Die im ersten Lebensjahr zusätzlich er- forderlichen Untersuchungen aus den Fachbereichen Orthopädie, HNO und Augenheilkunde sind meist ebenfalls dort möglich. Lediglich die empfohlene Augenkontrolle mit zwei Jahren sollte von dem oder der entsprechenden Facharzt/Fachärztin mit einer Spezial- ausrüstung durchgeführt werden. Was ist nun der tiefere Sinn dieser MKP-Kontrollen? Es geht natürlich wie bei allen anderen Vorsorgeuntersuchungen um das Erkennen und nachfolgend Behandeln von gesundheitsrelevanten Proble- men. Das betrifft bei den Kontrollen in der ersten Lebenswoche und wohl auch noch bei der nächsten Kontrolle zwischen vier und sechs Wochen vor allem angeborene Störungen wie Herzfehler, Hüftdysplasie, Fehlbil- dungen oder neurologische Auffäl- ligkeiten etc., die nicht schon in der Schwangerschaft gefunden wurden. Bei Kontrollen in den nächsten Mo- naten und Jahren kommen dann z. B. Auffälligkeiten bei Gewicht und Größe zutage, Entwicklungsstörungen oder organspezifische Erkrankungen. Aus dem Gespräch mit den Eltern und der klinischen Untersuchung (inkl. Zusatztests wie Hüftultraschall, Hörtest, spezieller Augentests) kann im Idealfall die Gesundheit des Kindes attestiert werden. Besonders hervorzuheben ist hier der sogenannte PKU-Test in den ersten Lebenstagen, bei dem das Blut auf einem Filterpapier auf gesamt 28 Erkrankungen hin untersucht wird. Es geht aber auch und zunehmend um Entwicklungsstörungen in den Bereichen Motorik, Feinmotorik und Sprache bzw. um Auffälligkeiten im sozialen Bereich. Es soll sich im Rah- men der MKP-Kontrolle Zeit finden, diese Problembereiche anzusprechen und durch Tests in der Ordination zu verifizieren, um in weiterer Folge Hilfs- angebote anbieten zu können. Letztlich dient die MKP-Kontrolle – egal in welchem Alter – auch der Vor- sorge, der Prävention von Erkrankun- gen. Eines der wichtigsten Tools dafür ist die Impfung. Eine Reihe schwerer, teils tödlich verlaufender Erkrankun- gen kann durch Impfungen verhindert oder zumindest gemildert werden, sodass es zum Pflichtprogramm jeder MKP-Kontrolle gehört, anstehende Impfungen zu besprechen bzw. an ausstehende Impfungen zu erinnern. Weitere Gesprächsthemen sind neben anderem die gesunde, altersentspre- chende Ernährung, Bewegung und Sport und der Umgang mit Medien mit eventuellen Auswirkungen auf Spra- che, Psyche und Augen. Alle Auffälligkeiten und Themen kön- nen dann zu weiteren Kontrollen auch bei anderen Spezialisten und Thera- pien führen, wobei erfreulicherweise meist gesunde Kinder zu erwarten sind – im Einzelfall aber jede entdeckte Auffälligkeit viel Leid in der Folge er- sparen kann. So sind MKP-Kontrollen wahrscheinlich noch relevanter als Vorsorgeuntersuchungen bei Er- wachsenen, da viel mehr Folgejahre von einer Erkrankung betroffen sind. Leider enden in Österreich die MKP- Kontrollen mit dem fünften Lebensjahr. Gastautor Dr. Holger Förster Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde Getreu diesem Motto gibt es in Österreich immer mehr kostenlose Angebote für Vorsorgeuntersuchungen. Vorsorgen ist besser als heilen Bild: PRIVAT

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